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Zurück in die Vergangenheit

Zeitmaschinen sind die Tech-Utopie schlechthin. Ob und wie sie Realität werden könnten liegt jedoch fern unseres Horizonts. Eine Spielwiese für Theoretiker – für Praktiker aber (noch) ein schwarzes Loch.

Der Professor setzt sich und legt einen Hebel um. Rädchen beginnen zu rattern, Warnlichter blinken – und schon ist er auf dem Weg in die Zukunft. So spielerisch-leicht schickte der englische Schriftsteller H.G. Wells 1895 in seinem gesellschaftskritischen Science-Fiction-Roman „The Time Machine“  den ersten fiktionalen Zeitreisenden ins Jahr 802.701. Unzählige Male haben Film und Literatur das Sujet seitdem bespielt, unter ihnen prominente Popkult-Figuren wie Marty McFly oder der Terminator. Doch nicht nur die Unterhaltungsindustrie ist von den Weltenwanderern fasziniert, auch Wissenschafter widmen sich diesem Thema.

So auch Ronald Mallett, Professor für theoretische Physik an der University of Connecticut in den USA. Zehn Jahre war er alt, als sein Vater an einem Herzinfarkt verstarb. Für den Jungen aus den Bronx ein harter Schlag, sein Vater war sein „Superman“ gewesen, wie er erzählt. Nur das Lesen half ihm, Ablenkung zu finden. Bis er eines Tages in einem Comicheft auf eine Illustration von H.G. Wells’ Zeitmaschine stieß und beschloss, selbst eine zu konstruieren, um in die Vergangenheit zu reisen und seinen Vater vor dem Tod zu bewahren. Das war Mitte der 1950er-Jahre. Bis heute bleibt Mallett seinem Ziel treu und macht sich in den USA damit bereits einen Namen, unter anderem als Autor des Buches „Time Traveler: A Scientist’s Personal Mission to Make Time Travel a Reality“ (Ko-Autor Bruce Henderson).

Forbes: Als kleiner Bub haben Sie sich vorgenommen, in der Zeit zu reisen. Aber was ist das eigentlich: Zeit?

Mallett
: Das ist sehr schwierig zu definieren. Der antike Philosoph Augustinus von Hippo  sagte: „Was also ist Zeit? Wenn niemand mich danach fragt, weiß ich es; wenn ich es jemandem auf seine Frage hin erklären will, weiß ich es nicht.“ Für mich ist Zeit eine Maßeinheit von Dauer. Das bedeutet, ohne Zeit kann nichts existieren. In Einsteins Relativitätstheorie ist Zeit die vierte Dimension.

Werden Menschen jemals in die Zukunft oder in die Vergangenheit reisen? Wie könnte es in der Theorie funktionieren?

Tatsächlich ist es schon möglich, dass Menschen in die Zukunft reisen - der Haken ist aber die Geschwindigkeit. Die wissenschaftliche Möglichkeit zum Zeitreisen basiert auf Einsteins spezieller und allgemeiner Relativitätstheorie. Die 1905 veröffentlichte spezielle Relativitätstheorie begründet vereinfacht gesagt, dass Uhren in Bewegung geringfügig langsamer ticken. Je schneller sich eine Uhr bewegt, desto langsamer vergeht die Zeit laut dieser Uhr. Zahlreiche Experimente konnten das belegen. Der Large Hadron Collider (LHC)  im Kernforschungszentrum CERN in Genf beschleunigt zum Beispiel regelmäßig subatomare Partikel beinahe bis zur Lichtgeschwindigkeit. Die Lebensdauer dieser Partikel kann durch zunehmende Umlaufgeschwindigkeit erheblich verlängert werden. Genau genommen werden diese Partikel in die Zukunft gesendet, wodurch sie länger existieren als nicht-beschleunigte Partikel. Ähnliches wurde in anderen groß angelegten Experimenten, wie in jenem vom US Naval Observatory 1971, beobachtet.

Sie konnten messen, wie sich die Zeit einer Atomuhr auf einem Passagierjet nahe Schallgeschwindigkeit im Vergleich zu einer zweiten stationären Atomuhr im Forschungsinstitut auf der Erdoberfläche verlangsamt hatte. Das bedeutet, dass sich auch die Herzfrequenz eines Wissenschafters an Bord des Flugzeuges verlangsamt hatte. Im Prinzip waren die Wissenschafter mit der Atomuhr im Jet um den Bruchteil einer Sekunde langsamer gealtert als ihre Kollegen im Institut. Aus deren Perspektive wiederum waren ihre reisenden Kollegen geringfügig in die Zukunft gereist. Das lässt sich weiterdenken. Sollten jemals Raketen annähernd Lichtgeschwindigkeit erreichen können, wäre der gleiche Effekt noch viel dramatischer. Nur wenige Jahre müsste ein Passagier auf solch einem Raumschiff verbringen während Jahrzehnte auf der Erde vergingen. Langer Rede kurzer Sinn: Die spezielle Relativitätstheorie begründet die Möglichkeit zur Reise in die Zukunft und Experimente haben den Nachweis erbracht. Die andere Seite ist aber: Wir können noch so hohe Geschwindigkeiten erreichen, eine Reise in die Vergangenheit bleibt unmöglich. Aber es gibt mit Albert Einsteins allgemeiner Relativitätstheorie noch Hoffnung auf einen anderen Weg.

Und der wäre?

1915 veröffentlichte Einstein die allgemeine Relativitätstheorie. Ihre Essenz ist, dass Zeit von Gravitation beeinflusst wird: Je stärker die Anziehungskraft, desto stärker wird die Zeit verlangsamt. Anders formuliert: Eine Uhr nahe der Erdoberfläche – wo die Schwerkraft relativ stark ist – läuft langsamer als eine Uhr in weiter Höhe. Auch dieser Effekt kann experimentell nachgewiesen werden. Tatsächlich ist allgemeine Relativität auch der Grund, warum Global Positioning Systeme (GPS) korrekt funktionieren. Uhren im GPS-Gerät im Auto laufen langsamer als Uhren auf einem Satelliten, der die notwendigen Signale zur Ortung sendet. Computer müssen das entsprechend beachten.

Die allgemein Relativitätstheorie begründet somit auch die theoretische Möglichkeit zur Zeitreise in die Vergangenheit. Laut Einstein ist Gravitation eine Kraft, die zur Krümmung der vierdimensionalen Raumzeit führt. Als Analogie kann man sich vorstellen, dass die Raumzeit eine gespannte Gummiunterlage ist – zum Beispiel von einem Trampolin. Legen wir eine Bowlingkugel auf die Unterlage, rollt sie in die Mitte und krümmt das vorher flache Trampolin. Wenn wir jetzt eine Murmel in das Trampolin legen, bewegt sich die kleine Kugel zur Bowlingkugel in die Mitte. Angenommen das Trampolin ist transparent, dann wird es erscheinen, als ob die Bowlingkugel die Murmel direkt anzieht. Wir können die Murmel auch eine Weile um die schwere Bowlingkugel im Zentrum kreisen lassen, indem wir ihr einen Schubs seitwärts geben. Einstein hat im Prinzip gezeigt, dass die Sonne die Bowlingkugel ist, der „Empty Space“ das Trampolin und die Erde unsere Murmel. Die Seitwärtsbewegung hält die Erde davon ab, zur Sonne gezogen zu werden. In Einsteins Relativitätstheorie sind Raum und Zeit verknüpft, deshalb nennt er es Raumzeit. Was auch immer mit dem Raum geschieht, es beeinflusst auch die Zeit. Die Krümmung von Raum ist auch die Krümmung von Zeit. Gekrümmte Zeit zeigt sich durch verlangsamte Uhren.

Rotiert ein massives Objekt schnell genug, wie ein rotierendes Schwarzes Loch, kann es Raum und Zeit krümmen. Normalerweise bewegt sich die Zeit geradlinig von der Vergangenheit über die Gegenwart in die Zukunft. Ein rotierendes Schwarzes Loch kann die Zeit so biegen, das diese gerade Linie zu einer Schleife geformt wird. Theoretisch könnte diese Schleife eine Reise in die Vergangenheit möglich machen. Dazu hat aber noch niemand ein Experiment durchgeführt.

Wie würde eine Zeitmaschine funktionieren, wenn diese Theorie umgesetzt werden sollte?

Basierend auf Einsteins spezieller Relativitätstheorie ist ein Raketenflug mit sehr hoher Geschwindigkeit einer in die Zukunft. Die Forschung benötigt nur genug Finanzierung, um Raketen bis fast auf Lichtgeschwindigkeit bringen zu können. Reisen in Richtung Vergangenheit könnten durch das Formen der vorhin genannten geschlossenen Schleifen umgesetzt werden. Theoretisch könnte man damit in die Vergangenheit bis zu einem bestimmten Ereignis reisen, zum Beispiel der Entstehung des Schwarzen Loches. Für eine terrestrische Zeitmaschine könnten wir bis zu dem Tag in die Vergangenheit reisen, an dem die Maschine aktiviert wurde.

Wo hapert es noch mit der Zeitmaschine?

Die Barrieren für Zeitreisen in die Vergangenheit sind viel mehr technologischer als wissenschaftlicher Natur. Obwohl die allgemeine Relativitätstheorie die Möglichkeit von geschlossenen Zeitschleifen eröffnet, ist uns noch nicht klar, wie diese Strategien technisch umgesetzt werden könnten. Wie formt man ein Wurmloch? Die Projekte stehen und fallen leider mit der Finanzierung.

Hat Ihr „Zukunfts-Ich“ oder einer Ihrer Schüler sie bereits aus der Zukunft besucht und Ihnen mitgeteilt, dass es letzten Endes klappen wird?

Bislang bin weder ich noch einer meiner Schüler aus der Zukunft angekommen. Was Einsteins Theorie uns gezeigt hat ist, dass Zeitreisen in die Zukunft theoretisch relativ einfach funktionieren. Reisen in die Vergangenheit sind zwar möglich, aber sehr schwierig.

Arthur Corazza,
Editorial Team

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