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Teures Ticket

Die NASA startet bereits die dritte bemannte Marslandung. Doch schnell kämpft die Raumfahrtmission „Ares III“ mit Problemen. Einzig NASA-Astronaut Mark Watney bleibt am roten Planeten zurück…

Ein aufkommender Sandsturm zwingt das Team auf die Erde zurückzukehren. Nur Watney schafft es nicht in das Raumschiff, er ist vor die Herausforderung gestellt alleine am Mars zu überleben. Entsprechende Versorgung und Ressourcen muss er sich selbst beschaffen, dafür lässt er seinen Ideenreichtum spielen: Als gelernter Botaniker kultiviert er Kartoffeln aus einer Mischung von Exkrementen der Crew und Marserde, aus Treibstoff gewinnt er Wasser. Am Ende gelingt die erfolgreiche Rückreise zur Erde und Watney wird als Held gefeiert. Vorerst ist das noch Zukunftsmusik. Denn der Plot stammt aus dem Film „Der Marsianer“ aus dem Jahr 2015, basierend auf dem gleichnamigen Roman von US-Autor Andy Weir. Der „Robinson Crusoe“ auf dem Mars wird gespielt von Matt Damon.

Abseits von all den Querelen hat die NASA in diesem Science-Fiction-Szenario aber eines geschafft, was bisher nicht gelungen ist: Den vierten Planten im Sonnensystem – gemessen am Abstand zur Sonne – als mögliche neue Heimat für die Menschen zu erforschen. „Der Marsianer“ befeuert einen uralten Traum von der (weiteren) Entdeckung des Weltalls. Diese Vision beschäftigt heute sowohl milliardenschwere Unternehmer wie auch Weltraumexperten. Zu lange schon zehrt unsere Spezies von der ersten Mondlandung durch die USA, die 2019 ihr 50-jähriges Jubiläum feiert. Die Sehnsucht nach neuen Planeten in unserer Galaxie scheint noch lange nicht gestillt. Doch Zeitplan und Finanzierung lassen viele Fragen offen. 

Der prominenteste Unterstützer dieses Vorhabens ist Tesla- und SpaceX-Gründer Elon Musk. Wer über die Kolonialisierung des Mars spricht, kommt am Südafrikaner schlicht nicht vorbei. In einem White Paper mit dem Titel „Making Humans a Multiplanetary Species“ legt er dar, wie die Besiedelung des roten Planeten vonstattengehen könnte. Seit Längerem hat sich der Mars – neben der Erde – als erste Option in Sachen Bewohnbarkeit herauskristallisiert. Die dortigen Bedingungen ähneln denen unserer Heimat von allen Planeten am meisten.

  • So dauert ein Marstag („Sol“ genannt) etwa 24 Stunden und 39 Minuten.
  • Die Oberfläche des Mars beträgt rund 28 Prozent jener der Erde – die Landflächen der Erde bedecken 29 Prozent des Planeten.
  • Zudem besitzt der Mars eine Atmosphäre, die zwar deutlich dünner als die der Erde ist, aber dennoch einen gewissen Schutz vor der Sonnen- und kosmischen Strahlung bietet.
  • Und, am allerwichtigsten: Jüngste NASA-Missionen bestätigten, dass Wassereis auf dem Mars existiert, was die Grundlage des Lebens auch auf dem neuen Planeten ermöglichen würde.

Trotz aller Gemeinsamkeiten wird das Ganze aber eine große Herausforderung. Dabei ist das Um und Auf eines erfolgreichen Transports zum Mars, laut Musk, Kostenreduktion. Die Reise zum Mars, so rechnet Musk vor, kostet „optimistisch geschätzte“ zehn Milliarden US-Dollar pro Person. Dabei nimmt der Südafrikaner das Apollo-Programm (bemannte Mondlandung; Anm.) als Basis für seine Berechnungen. Musk gibt sich keinen Illusionen hin: Das ist ein absurder Preis für ein Ticket zu einem unerforschten Planeten. Und es versteht sich one-way, denn die meisten Initiativen und Vorstöße gehen derzeit davon aus, dass die ersten Siedler nicht vom Mars zurückkehren würden. Der Tesla-Gründer argumentiert also, man müsse den Preis auf einen leistbaren Betrag drücken – etwa den eines durchschnittlichen Einfamilienhauses in den USA. Das wären 200.000 US-Dollar, was eine Kostenreduktion von fünf Millionen Prozent bedeuten würde.

"It is a bit tricky"

Musk sieht das als überraschend lockeres Problem. Das Zitat im Original: „It is a bit tricky because we have to figure out how to improve the cost of trips to Mars by five million percent.“ Musks Rezept: Raketen, die nicht einmal genutzt werden, sondern vollständig wiederverwendbar sind. Das würde die Entwicklungskosten auf mehrere Flüge aufteilen. Einem etwas gegenteiligen Ansatz folgt der „Mars to Stay“-Vorschlag. Demnach sollen Menschen, die zum Mars fliegen, dort für eine längere Zeit bleiben, um die Kosten der zahlreichen Flüge zu reduzieren. Der Astronaut Buzz Aldrin, der als Teil der Apollo-Mission der zweite Mensch war, der den Mond betrat, ist einer der prominentesten Unterstützer der Initiative. Unter dem Motto „Vergesst den Mond! Auf zum Mars!“ spricht er sich seit fast 30 Jahren für diese Variante aus. Demnach könnte eine Gruppe von 30 Siedlern – vorerst nur Astronauten, später auch Zivilisten – mit einem Alter von etwa 30 Jahren zum Mars geschickt werden. Mit 65 Jahren hätten sie dann, nach Aufbau einer funktionierenden Siedlung, nicht nur die Möglichkeit, eine zweite Generation an Siedlern einzuschulen, sondern könnten auch entscheiden, ob sie auf dem Planeten bleiben wollen oder zur Erde zurückkehren.

Neben der schon angesprochenen Kostenreduktion sind laut Musk noch weitere Bedingungen notwendig, um die Marsflüge wirtschaftlich machbar zu gestalten. Die Raumschiffe müssten nicht nur wiederverwendbar sein, sondern auch im Erdorbit betankt werden können. Denn der Start einer Rakete wäre – auch aufgrund der Treibstoffkosten – zu teuer. Zudem müsste man in der neuen Heimat Mars Treibstoff produzieren können, damit auch die Rückreise klappt. Musk will 2022 mit den ersten Marsflügen beginnen. Da die beiden Planeten jedoch nur alle 500 Tage so angeordnet sind, dass der kürzeste Weg von der Erde zum Mars möglich ist, sind auch diese Zahlen optimistisch geschätzt.

Wir wollen, dass Millionen von Menschen im Weltraum arbeiten und leben. (Jeff Bezos)

Doch Musk und Aldrin sind mit ihren Ideen und Wünschen nicht alleine. Überhaupt, so scheint es, ist der bemannte Marsflug eine Spielwiese für exzentrische Milliardäre und Unternehmer. Denn auch Virgin-Gründer Richard Branson betätigt sich in der Luftfahrt. Branson will nicht nur touristische Weltraumflüge anbieten, sondern die Menschheit auch Richtung Mars bewegen. Jeff Bezos will mit seinem Unternehmen Blue Origin ebenfalls Raketen bauen, mit deren Hilfe das Weltall erkundet werden soll. „Die Vision für Blue Origin ist ziemlich einfach. Wir wollen, dass Millionen von Menschen im Weltraum arbeiten und leben. Das wird noch eine Zeit lang dauern – aber es ist ein erstrebenswertes Ziel“, sagte Bezos bei einer Pressekonferenz.

Doch bei all der Euphorie der Unternehmer fällt es schwer, die Annahmen einfach wegzuwischen. Das sehen auch Experten so: Denn laut ihnen seien alle Pläne zur Besiedelung des Mars derzeit noch deutlich mehr Vision als Realität. Zu dieser Gruppe zählt auch Wolfgang Baumjohann, Leiter des Instituts für Weltraumforschung in Graz. Der Forscher ist Mitglied der Österreichischen Akademie der Wissenschaften, der Deutschen Nationalen Akademie der Wissenschaften Leopoldina und der International Academy of Astronautics. Außerdem ist er noch Fellow der American Geophysical. Baumjohann sieht wenig Chancen, dass Musks Pläne sich bald in die Tat umsetzen lassen: „Dass Menschen in den nächsten 20 Jahren auf den Mars übersiedeln, wird definitiv nicht passieren. Eine Mars­kolonie ist in diesem Jahrhundert wohl nicht darstellbar. Dabei ist der Flug zum Mars weniger ein technisches als ein finanzielles Problem. Die erste Mondlandung kostete rund 100 Milliarden US-Dollar, damals hat John F. Kennedy das Projekt bezahlt. Die erste Marslandung wird aber eher 400 bis 500 Milliarden US-Dollar kosten. Dieses Geld wird derzeit nicht bereitgestellt.“

Auch die von Elon Musk unterstellte Finanzierung über privatwirtschaftliche Kanäle – sprich den Ticketverkauf – sei aus heutiger Sicht nicht realistisch. „Privatwirtschaftlich lässt sich das nicht finanzieren. Da müsste Elon Musk noch einige Milliardäre finden, die ein Ticket bezahlen, um auf 500 Milliarden US-Dollar zu kommen.“ Baumjohann sieht die einzige „Hoffnung“ für die Kolonialisierung des Mars in einem Zustand, der der Stimmung während des Kalten Krieges ähnelt. Ein „Wettlauf der Systeme“, wie der Forscher es beschreibt, könnte zu einer Beschleunigung des Unterfangens führen. Doch selbst dann sind fünf bis zehn Jahre für den Wissenschaftler Utopie. „China geht vom Jahr 2050 oder 2060 aus, das ist schon eher realistisch“, sagt Baumjohann.

Nicht gleich Geschwister

Abgesehen davon, dass neben allen oben aufgezählten Gemeinsamkeiten zwischen Erde und Mars auch genügend Unterschiede herrschen. Der Luftdruck liegt bei unter einem Prozent von dem, der auf der Erde herrscht – Menschen könnten also aus heutiger Sicht nicht ohne Druckanzüge auf dem Planeten leben. Die unterschiedliche Stärke der planetaren Magnetfelder könnte zudem zu einem Ausbruch von bisher schlafenden Vulkanen führen. Weiters liegt die Durchschnittstemperatur bei minus 60 Grad Celsius, die der Erde hingegen bei rund 15 Grad Celsius.

Doch auch da gibt es bereits Lösungsideen. So verfolgt die Strategie des „Terraforming“ den Ansatz, den Mars in einen natürlicheren Lebensraum für den Menschen zu verwandeln. Nach Abschluss des Vorgangs sollen Menschen nicht nur ohne Druckanzug, sondern auch ohne Atemgerät auf dem Mars unterwegs sein können. Wie lange ein solcher Prozess dauern, wie sehr er ins möglicherweise bestehende Ökosystem des Mars eingreifen und wie sich das Ganze auf die Stabilität der Bedingungen auf dem Planeten auswirken würde, ist hochgradig unklar.

Dennoch: Wenn sich Elon Musk, Jeff Bezos, Richard Branson sowie Astronauten wie Buzz Aldrin und Weltraumingenieure wie Robert Zubrin (Gründer von Pioneers Astronautics und der Mars-Mission) in den Kopf gesetzt haben, den Mars zu besiedeln, scheint es nur eine Frage der Zeit, bis die ersten Menschen auf dem Roten Planeten landen. Fraglich scheint viel eher die Geschwindigkeit, mit der diese Fortschritte erfolgen. Doch auch Wolfgang Baumjohann denkt, dass wir eine neue Heimat haben könnten – zumindest manche von uns: „Dieser Wunsch ist kulturell in uns Menschen verankert. Der Mensch will dahin, wo er hinkommen kann. Ich denke, wir werden früher oder später zum Mars fliegen. Und vielleicht ist es ja schon 2050 oder 2060 so weit.“ Die Frage scheint also weniger, ob, sondern wann. Die Sehnsucht der Menschen nach Freiheit und unendlicher Weite scheint wohl stärker als bloße Zahlenspiele. Und bei diesen Dimensionen machen 30 Jahre Wartezeit auch nicht mehr allzu viel aus.

Klaus Fiala,
Chefredakteur

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