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Tee, Earl Grey, heiß

Bei Star Trek produziert der Replikator in Sekundenschnelle, was immer man essen möchte. Dank 3D-Druck ist diese Utopie heute ein wenig näher gerückt.

Die Raumschiff Enterprise-Fans der ersten Stunde verfolgten ihre Lieblingsserie noch vor dem Schwarz-Weiß-Fernseher ohne Fernbedienung und träumten davon, sich beamen zu lassen, statt im klapprigen VW-Käfer nach Italien zu reisen. Ihr Held, Captain James T. Kirk, holte sich währenddessen – mitten in den unendlichen Weiten des Weltraums – erst mal einen Drink. Dazu musste er lediglich eine Klappe hochschieben und sich das Gewünschte herausnehmen. Nach ihm war es Captain Jean-Luc Picard, der – Kult bei Fans – regelmäßig „Tee, Earl Grey, heiß“ verlangte. Vermutlich hätte er gar nicht gewusst, was er mit einem Teekessel überhaupt anfangen soll.

Auch im Verlauf der Serie ließ sich ein technischer Fortschritt beobachten. Während Captain Kirk sein Essen im 23. Jahrhundert noch über ein schiffsweites Nahrungsverteilersystem bezog, kamen im 24. Jahrhundert Nahrungsreplikatoren zum Einsatz. Die technische Entwicklung macht Nahrungstransport obsolet und bietet eine größere Vielfalt an Speisen und Getränken. Als Grundmaterial wurden nur nur Proteine und Kohlenhydrate benötigt, die je nach Bedarf appetitlich zum gewünschten Gericht angeordnet wurden. Das Essen materialisiert sich samt Geschirr vor den Augen der Crew. Die Replikatoren können ihre Funktionsweise sogar umkehren und Lebensmittelreste und Geschirr wieder in deren Grundbestandteile zerlegen, um sie wiederzuverwenden.

Vor zwei Jahren zog ein israelisches Unternehmen viel Medienaufmerksamkeit auf sich, als es ein als zeitgemäße Version des Replikators beworbenes Gerät präsentierte. Schnell wurde es aber ruhig um das Unternehmen. Die Geschäftsidee bestand darin, eine Art gefriergetrocknete Nahrung in fertig vorbereiteten Portionen in immerhin sehr kurzer Zeit präsentabel zu machen. Doch eine Art schnell erhitzte Astronautennahrung ist anscheinend scheint nicht ganz das, wovon die meisten Kunden träumen.

Da Star Trek jedoch seit Jahrzehnten die Wissenschaft inspiriert, ist bereits so einiges greifbar geworden. Man nennt die Technologie nur nicht Replikator, sondern 3D-Druck. Und auch, wenn es noch etwas mehr Grundzutaten als Proteine und Kohlehydrate braucht, in Ansätzen funktioniert das Ding schon. Seit drei Jahren kann man sich zum Beispiel Pizza in beliebigen Formen drucken lassen Die erste Finanzspritze für das US-amerikanische Unternehmen Systems & Materials Research Corporation (SMRC) in Höhe von 125.000 US-$ stammte von der Nasa, deren Astronauten das nach ihnen benannte Essen wohl langsam satt hatten.

Dass der Automat zuerst Pizza drucken lernte und erst später noch weitere Gerichte hinzukommen sollen hat den schlichten Grund, dass die italienische Teigspezialität sich gut dafür eignet, in aufeinander aufbauenden Schichten gedruckt zu werden – wie es 3D-Drucker eben tun. Während der Boden schon auf einer erhitzen Platte bäckt, kann der Drucker in seiner Präzision Tomatensosse und Käse in weiteren Lagen auftragen. Ziel ist, die Zutaten eines Tages als jahrzehntelang haltbare Pulver vorrätig zu halten – dann nämlich wäre das Ganze sogar Raumstations-tauglich. Noch arbeitet das Gerät mit flüssigem Teig und Fertigsosse.

Unterdessen gibt es Konkurrenz von diversen Herstellern. Immerhin können sie alle von sich behaupten, ein komplettes Gericht drucken zu können, wo ansonsten doch eher einzelne Komponenten gedruckt werden. Der italienische Nahrungsmittelkonzern Barilla bekam zum Beispiel in Social Media-Kanälen viel Aufmerksamkeit für seinen 3D-Nudeldrucker. Doch Kochen muss man die Teigwaren anschließend immer noch selbst.

Es gibt zudem zahlreiche Anbieter, die beispielsweise aus Schokolade, Kartoffelpüree oder Zuckermasse 3D-Gebilde drucken können. Näher dran am Replikator ist da schon der Pancake Bot, der immerhin Pfannkuchen in beliebiger Form zustande bringt – und diese auch noch bäckt. Oder aber man lässt sich geduldig vorher pürierte Zutaten vom „Foodini“ in Form drucken. Zeit gespart ist damit nicht – aber die Optik zählt manchmal auch. Eine Art „Obst“ lässt sich übrigens auch machen.

Noch können vor allem Pasten – egal ob nun Pizzateig oder Schokolade, Gemüse- oder Kartoffelpüree – in spezielle Formen gedruckt werden. Bis wir unser Wunschmenü aus dem Replikator bekommen – mag er auch als 3D-Drucker bezeichnet werden – dauert es bestimmt noch eine Weile. Noch ist das gedruckte Essen eine Spielerei und ein Nischenprodukt, bei dem vor allem Prototypen im Einsatz sind.

Von Foodini, der alles pastenartige vom feinpürierter Hamburgerfleischmasse bis zum Erbsenpüree verarbeiten kann, werden die ersten Exemplare an Profiküchen ausgeliefert. Aktuell geschieht das noch zum satten Preis von 4.000 US-$. Dafür kann er innerhalb weniger Minuten Cracker in beliebiger Form drucken. Für eine Schokoladenskulptur braucht er zwanzig Minuten. Die Macher räumen ein, dass es schneller gehe, ein Fertiggericht in der Mikrowelle aufzuwärmen. Dafür dürfte dieses hinterher aber kaum so speziell aussehen. Die Foodini-Hersteller jedenfalls glauben daran, dass in zehn bis 15 Jahren 3D-Drucker zu den allgemein üblichen Küchengeräten gehören werden.

Daraus würde sich ein beachtliches Marktpotenzial ergeben. Laut Euromonitor ist der Markt für Haushaltsgeräte im Wachsen begriffen. 2017 wurden um drei Prozent mehr Kühlschränke verkauft, um vier Prozent mehr Waschgeräte sowie 16 Prozent mehr Klimaanlagen. Vor allem vernetzte Geräte, die einen Boost um 70 Prozent erlebten, sind gefragt.

Um dieses Potenzial zu erschließen, müssten aber erst einmal genügend Kunden Interesse daran zeigen. Es ist daher spannend zu wissen, wie Essen aus dem Drucker angenommen wird. Die Universität Canberra hat dazu 2016 eine Studie verfasst – wenn auch nur mit dreißig Probanden. In der Studie zeigte sich, dass den Marketingfachleuten wohl noch ein gutes Stück Arbeit bevorsteht:  Die meisten Bedenken hatten die Befragten bezüglich ernährungsphysiologischer Ausgewogenheit, Verlust von Nährstoffen durch die Verarbeitungsweise und im Hinblick auf Keime. Sie sahen 3D-Druck als Option, günstiges Essen für ärmere Menschen herzustellen oder Nahrung für die ältere Bevölkerung, die leichter zu kauendes Essen benötigen. Sich selbst sahen sie dagegen nicht als Nutzer.

Je höher sie in der Befragung die Wichtigkeit von hochwertigen, frischen Nahrungsmitteln unterstrichen wurde, desto weniger Interesse existierte an gedrucktem Essen. Auch, weil dieses zugunsten des gleichmäßigen Druckbildes so stark verarbeitet werden muss, dass sich die Qualität der verwendeten Zutaten nicht mehr ohne Weiteres nachvollziehen lässt. Eine Umfrage des deutschen Branchenverbandes BITKOM im Jahr 2017 ergab, dass sich zwar 53 Prozent der Befragten vorstellen könnten, ein 3D-Selfie von sich machen zu lassen, Lebensmittel aus dem Drucker essen würden dagegen nur 14 Prozent.

Selbst wenn man im Moment lediglich breiartige Substanzen oder Pulver zu essbaren 3D-Gebilden drucken kann und wir noch ein wenig auf die in Sekundenschnelle servierte Ente à l`orange warten müssen – zum Trost sei folgendes erwähnt: auch bei Star Trek unterliegt das Spektrum gewissen Einschränkungen. Bei Drinks etwa wird der Alkohol durch Synthetol ersetzt. Er hat zwar denselben Geschmack, aber keine berauschende Wirkung.

Ob mit oder ohne Alkohol – wie groß ist aber das Marktvolumen der 3D-Drucker heutzutage? Hier müssten die meisten Marktforscher noch passen. Spezielle Zahlen für den Food-Bereich gibt es bisher noch keine. Die Zahlen des Marktforschungsunternehmens Gartner zur Entwicklung einzelner Marktsegmente im 3D-Druck stammen vom September 2016. Diese geben Auskunft über weltweite 3D-Drucker-Verkäufe.  Egal, ob diese nun ausgelegt sind auf die Produktion von lebensnahen miniaturisierten Enkel-Nachbildungen aus Plastik, von Flugzeugteilen oder doch eher von Schokoladenskulpturen. Wenn die Prognosen stimmen lässt sich zumindest eines sagen: Der Markt entwickelt sich gewaltig. 2016 wurden etwas mehr als 450.000 3D-Drucker verkauft, 2017 alle Wahrscheinlichkeit nach mehr als 900.000. 2019 sollen es mehr als 3,5 Millionen sein – und 2020 über 6,7 Millionen.

Und hier noch zum Abschluss ein Projekt, wie man seine Kaffeemaschine zum 3D-Drucker umbauen kann. Der Clou: Sie kann hinterher immer noch Kaffee kochen.

Autorin: Alexandra von Ascheraden

Forbes Editors

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