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Speed it up

Interstellare Flüge zu einem anderen Sternensystem: Das ist die große Vision der internationalen Weltraumgemeinschaft. Die derzeitigen Antriebssysteme sind aber noch zu schwach, um dies zu ermöglichen. Wie lange noch?

Science-Fiction kann in gewisser Weise Entwicklungen vorgeben. Zu diesem Schluss kam die Europäische Weltraumagentur ESA, als sie 2002 die Studie „Innovative Technologies from Science Fiction for Space Applications“ publizierte. Das Projekt beschäftigt sich mit verschiedensten Weltraumtechnologien aus der Science-Fiction-Welt, die es wert waren, genauer untersucht zu werden. Denn vielleicht könnten diese einmal tatsächlich umgesetzt werden, so der Ansatz der Studie.

Nach derzeitigem Stand dauert es Monate, wenn nicht sogar Jahre, um andere Planeten zu erreichen. Doch in der internationalen Raumfahrt besteht der Wunsch, die eigene Reisegeschwindigkeit zu erhöhen und vor allem Sterne außerhalb des Sonnensystems zu entdecken. Dafür müssten Raketen aber enorm weite Entfernungen zurücklegen, mit weit höherer Geschwindigkeit als bisher möglich. Derzeit reichen die modernen Antriebssysteme der internationalen Raumfahrt dafür (noch) nicht aus. Laut ESA-Studie kostet die Weltraumfähre (Spaceshuttle) der NASA eine Milliarde US-$ pro Start und fliegt 27.800 km in der Stunde. Damit bis zum Mond zu gelangen, würde satte fünfeinhalb Tage dauern – eindeutig zu lang. Science-Fiction-Autoren haben sich bereits vor langer Zeit auf die Suche nach Lösungen für diese Probleme gemacht. Der amerikanische Physiker und Science-Fiction-Autor Robert Forward schlug in seinem 1995 erschienenen Buch „Indistinguishable from Magic“ eine Geschwindigkeit von zehn Prozent der Lichtgeschwindigkeit für interstellare Flüge vor. Flüge darüber hinaus, etwa zu Epsilon Eridani (sonnenähnlicher Stern mit einer Entfernung von rund 10,5 Lichtjahren von unserem Sonnensystem, Anm.) oder Tau Ceti (11,9 Lichtjahre entfernt, Anm.), müssten gar 30 Prozent der Lichtgeschwindigkeit erreichen. Das ist mit den derzeitigen Antriebssystemen einfach nicht machbar, deshalb kam die Idee auf, „treibstofflose“ Raumflugzeuge zu entwickeln.

Any sufficiently advanced technology is indistinguishable from magic.

(Arthur C. Clarke im Vorwort zu Indistinguishable from Magic)

Bisher konzentrieren sich internationale Raketensysteme jedoch noch hauptsächlich auf den Treibstoffantrieb. Bereits 1943 gab es V2-Raketen, die Treibstoff verbrannten und durch den Rückstoß die Rakete beschleunigten. Es gibt jedoch bereits seit Langem Entwicklungen an anderen Modellen. Alexander Reissner ist seit zehn Jahren in der Raumfahrttechnik aktiv und beschäftigt sich mit derartigen alternativen Antrieben. Der studierte Physiker ist Head of Aerospace Engineering bei FOTEC Forschungs- und Technologietransfer GmbH. Zudem gründete er 2016 das Start-up ENPULSION, das Ionentriebwerke für Satelliten, die bei FOTEC entwickelt werden, verkauft.

Forbes: Wie arbeiten Antriebssysteme mit Treibstoff?

Alexander Reissner: Die heutzutage verwendeten Systeme funktionieren folgendermaßen: Treibstoff wird innerhalb einer Rakete in einem Tank gespeichert, der diese Chemikalie verbrennt. Das daraus entstehende Gas dehnt sich aus und wird über eine Brennkammer ausgestoßen. Durch diesen Rückstoß kann die Rakete fliegen. Das wird bei denjenigen verwendet, die von der Erde in den Orbit (Umlaufbahn) starten. Die Antriebssysteme, die sich schon im Orbit befinden, funktionieren auf die gleiche Weise. Das gilt etwa für Satelliten und Raumsonden.

Innerhalb dieser Kategorie an Antriebssystemen, wo bestimmte Stoffe ausgestoßen werden, gibt es noch elektrische Triebwerke – sogenannte Ionentriebwerke. Es werden keine Chemikalien verbrannt, das Gas im Tank wird vielmehr über Elektrizität ionisiert. Dieser Prozess erzeugt geladene Gasteilchen, die über elektrische Felder beschleunigt werden. Die geladenen Gasteilchen werden mit zehnmal so hoher Geschwindigkeit ausgestoßen wie das Gas bei der Verbrennung. Man braucht also nur ein Zehntel des Treibstoffs – eine sehr effiziente Variante.

Welche Unterschiede bestehen zwischen den Antriebssystemen?

Diese zwei Technologien sind weltweit in Verwendung. Mit den chemischen Triebwerken gelangt eine Rakete sehr schnell von der Erde in den Orbit, doch das benötigt sehr viel Treibstoff. Wenn sich der Flugkörper bereits im Orbit befindet, also etwa zum Mars fliegt, hat man mehr Zeit. Das bedeutet weniger Treibstoffaufwand, wodurch der Ionenantrieb besser geeignet ist. Es findet eine konstante Beschleunigung statt. Diese Art von Triebwerk ist speziell bei kleinen Satelliten am Weltmarkt sehr erfolgreich.

Von welchen Geschwindigkeiten sprechen wir hier?

Bei den chemischen Treibstoffanlagen sind es 1.000 Meter pro Sekunde, beim Ionenantrieb etwa zehnmal so viele.

Wie werden diese Techniken in der globalen Raumfahrt genau eingesetzt?

Die Raumsonden, die zum Mars fliegen, arbeiten damit. Es gibt eine Mission „BepiColombo“ (Kooperation zwischen der ESA und der japanischen Raumfahrtbehörde JAXA, Anm.), wo eine Raumsonde zum Merkur reisen soll. Sie soll 2018 starten, 2021 bei der Venus und schließlich 2025 beim Merkur sein. Das sind sehr lange Zeiträume, für die relativ wenig Treibstoff benötigt wird. Eine derartige Sonde ist mit wissenschaftlichen Instrumenten und Experimenten ausgestattet, die verschiedene Organisationen weltweit zur Verfügung stellen. Im konkreten Fall sind es zehn aus Europa und eine aus Russland. Es werden verschiedene Aspekte der Planetenforschung abgedeckt: Radarmessung, Bilder von der Oberfläche, vom Planeteninneren und der Atmosphäre. Die Sonde wiegt viereinhalb Tonnen, was in etwa einem kleinen Autobus entspricht.

Wie weit kommt man damit im Weltall?

Die heute verwendeten Technologien sind sehr stark eingeschränkt. Die internationale Raumfahrt kann rund um unseren Planeten steuern, zum Mond und zurück, maximal zu unserem Nachbarplaneten Mars. Aber dorthin zu gelangen, braucht mehrere Monate. Sogar in Missionen wie „BepiColombo“ braucht man sieben Jahre, um zum Merkur zu kommen. Ein sinnvolles Herumreisen ist im Sonnensystem somit nicht möglich, vor allem, wenn man andere Sonnensysteme erforschen will. Diese Barriere gilt es, zu überwinden. Um weiterzukommen, braucht es effizientere Systeme.

Welche Gründe gibt es für ein Umdenken bei den Antriebssystemen in der internationalen Raumfahrt?

Neue Konzepte beschäftigen sich damit, keinen Treibstoff mehr auf die Fahrt mitzunehmen. Dieser hat nämlich eine extrem hohe Masse. Zudem ist das ganze Antriebssystem, das das Gas beschleunigt, sehr schwer. Wenn dies wegfällt, bleibt bloß eine leichte Raumsonde übrig. Dies kann sogar in Form eines kleinen Mikrochips funktionieren, wie bei CHIPSat.  

Wie sehen die konkreten Modelle aus?

Es gibt etwa ein kleines Raumschiff von zehn bis 20 Kilo, das nicht in der Lage ist, sich alleine fortzubewegen. Auf diesem ist ein Segel befestigt, das durch ein Medium angetrieben wird – vergleichbar mit einem Segelschiff, das durch Windkraft bewegt wird. Als Medium gibt es entweder einen Lichtstrahl, der als Photonenantrieb bekannt ist, oder ein sogenanntes Lichtsegel. Bei Ersterem wird mit einem sehr starken Laser (etwa Tausende Kilometer entfernt, Anm.) auf das Segel gestrahlt. Die darin enthaltenen Photonen erzeugen einen Impuls am Segel, der genutzt werden kann. Diese Art von Antrieb benötigt aber eine sehr hohe Energie, ist also sehr ineffizient. Der Vorteil ist aber, dass die Energie auf einer Basisstation entkoppelt zum Raumschiff erzeugt wird, wie etwa auf der Erde oder im Orbit selbst. Dadurch können höhere Geschwindigkeiten erzeugt werden. Das Raumschiff selbst trägt nur das leichte Segelschiff.

Ansonsten gibt es ein zweites System, in dem man das Licht der Sonne nutzt. Diese strahlt ebenfalls Photonen aus, die auf ein Segel auf der Rakete gelenkt werden. Jedoch geht dies nur in eine Richtung, und zwar von der Sonne weg. Zudem ist diese Antriebsform wesentlich langsamer als jene mit dem Laser, wo enorm viel Energie verwendet wird.

Inwieweit sind diese Segel noch Utopie?

Es wurde bereits ein kleines, einen Quadratmeter großes Segel auf einem Raumschiff demonstriert, das mittels Sonnenwind fliegen konnte. Bei den Lasern gibt es erst Prototypen, die im Forschungsstadium sind, jedoch keinen, der tatsächlich geflogen ist.

Es wird oftmals von interstellaren Flügen gesprochen, also in andere Sternensysteme, die Lichtjahre entfernt sind. Was kommt da in Zukunft noch auf uns zu?

Grundsätzlich müssen wir unterscheiden: den Start, also von der Erdatmosphäre in den Orbit; und die Fortbewegung innerhalb des Orbits. Die elektrischen Triebwerke, die Segel, sind nicht für den Start geeignet. Da gibt es wiederum zwei Varianten: Bei der einen wird, wie erwähnt, sehr viel an chemischen Stoffen verbrannt. Andererseits gibt es Entwicklungen, um relativ billig in den Orbit zu gelangen, dafür braucht man alternative Antriebssysteme. Die NASA und die ESA forschen etwa gerade an Space-Aufzügen. Das ist nicht so utopisch, wie es klingt.

Bei interstellaren Reisen gibt es Visionen in zweierlei Hinsicht. Erstens werden wir sicherlich die natürlichen Gegebenheiten des Sonnensystems nutzen können, um uns fortzubewegen. Die Segelantriebe werden – ähnlich wie bei Frachtschiffen – für den Transport im Weltall genutzt werden. Die Raumschiffe können so stetig durch das Sonnensystem bewegt werden. Was jedoch noch fehlt, ist ein großer, leistungsstarker Antrieb, um tatsächlich interstellare bemannte Flüge zu bewerkstelligen. Hier gibt es erste theoretische Grundlagenforschungen. Diese stellen aber die gegenwärtigen physikalischen Gesetze auf den Kopf. Ein Beispiel dafür wäre EmDrive. Das ist eine hochspekulative Technologie, deren Funktionsweise noch nicht erwiesen ist.

Was ist die Idee dahinter?

Es wird ein Rückstoß erzeugt, ohne dass etwas „weggestoßen“ wird. Es wird also Energie erzeugt, ohne tatsächlich Energie zu verbrauchen. Deswegen könnte man mit EmDrive ohne Treibstoff unendlich lange weiterbeschleunigen und dabei beliebige Geschwindigkeiten erreichen. Das ist der „Heilige Gral“ der Raumfahrt. Aber es widerspricht klar den physikalischen Gesetzen.

Wo wird daran geforscht?

Es gibt weltweit Forschungsgruppen. Etwa eine in Deutschland an der TU Dresden oder in den USA und Japan.

Ist EmDrive gar nicht vorstellbar?

Meiner Meinung nach nicht. Ich kann mir zwar vorstellen, dass es Möglichkeiten geben wird, mithilfe derer wir uns schneller fortbewegen, als wir es momentan können. Aber diese Techniken stehen im Widerspruch zu den newtonschen Gesetzen. Diese besagen, dass ein Objekt durch einen Rückstoß mit der gleichen Kraft nach vorne beschleunigt wird, mit der das Antriebsmedium nach hinten ausgestoßen wird. Es ist dennoch wichtig, diese Ideen zu verfolgen, um zu anderen Planeten und Sonnensystem zu reisen. Wir werden sehen, welchen Sinn sie ergeben.

Niklas Hintermayer,
Redakteur

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