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Klug gemacht

Mittels CRISPR-Cas9-Methode können Forscher im Auftrag von Firmen Gene editieren. Schon bald auch ganze Menschen?

Frankenstein“ ist die Dystopie schlechthin. Der Roman von Mary Shelley aus 1818 handelt vom jungen Schweizer Viktor Frankenstein, der an der Universität Ingolstadt daran arbeitet, einen künstlichen Menschen zu schaffen. In den Augen des Forschers ist er eine großartige Schöpfung, in jenen der Menschen ein Monster. Frankensteins Geschichte ist natürlich reine Fiktion. Seit 2012 sorgt aber die CRISPR-Cas 9 Methode für internationales Aufsehen: Mittels spezieller Gentechnik können einzelne Gene gezielt bearbeitet werden. Das wirft auch ethische Fragen auf: Könnte sich der Mensch somit im Endeffekt auch selbst erschaffen?

Es ist noch immer nicht endgültig geklärt, wer die Methode entdeckt hat: Derzeit herrscht ein Patent-Rechtsstreit genau um diese Frage. In der breiten Öffentlichkeit gelten aber die Molekularbiologinnen Jennifer Doudna und Emmanuelle Charpentier als Erfinderinnen der Genschere. Die ersten, die CRISPR-Cas9 an menschlichen Embryonen erprobten, waren 2015 chinesische Forscher.

Rachel Haurwitz ist Präsidentin und CEO der Firma Caribou Biosciences, eines US-amerikanisches Start-ups, das seit 2011 rund 45 Millionen US-$ Funding bekommen hat. Die Geschäftsidee? Die CRISPR-Cas9-Methode zur gezielten Veränderung einzelner DNA-Stränge ins Gesundheitswesen, aber auch in die Agrarwirtschaft, Pharmaindustrie und die Chemieindustrie zu bringen.

Die Genbearbeitungsmethode CRISPR-Cas9 eröffnet schier endlose Möglichkeiten. 2011 haben Sie Caribou Biosciences mitgegründet und damit ein spannendes Geschäftsfeld eröffnet. Welche Anwendungsszenarien werden für Genmanipulation entstehen?

Die Idee von CRISPR ist ja, in lebendige Zellen reinzugehen und dort DNA-Sequenzen präzise ändern zu können. In Therapeutika versucht man, so direkt zum Kern einer Mutation zu kommen, die eine Krankheit verursacht, und sie dort zu korrigieren; also nicht nur Symptome zu behandeln, sondern DNA-Code zu verändern, der eine Krankheit verursacht. In der Landwirtschaft etwa arbeiten wir gerade mit einer britischen Firma an einer neuen Schweinerasse, die resistent gegenüber einer speziellen Krankheit ist; der erste Wurf, also der erste Proof of Concept, scheinen völlig normale, glückliche Ferkel zu sein, die resistent sind.

Das Thema kommt ja immer näher – welchen Zeitrahmen sehen Sie für die breite Anwendung?

Auf Forschungsseite gibt es Tausende Labore, die schon damit arbeiten. Lebensmittel und Gesundheit – da wird es noch ein paar Jahre dauern, bis die ersten Produkte launchen; Gesundheit insbesondere, weil es eine so streng regulierte Branche ist. Wir sahen die ersten klinischen Studien im vergangenen Jahr in China starten. Ein paar kommen in den USA und Europa in diesem und im nächsten Jahr, ich denke, in etwa fünf bis zehn Jahren werden wir die ersten Medikamente haben, die potenziell zugelassen werden könnten. Hier stehen wir noch am Anfang. Bei Lebensmitteln wird es schneller gehen.

Sie haben eine Kooperation mit Novartis. Wie sind Sie mit dem Pharmariesen verbunden?

Novartis war einer unserer ersten Investoren, als wir das Unternehmen gründeten. Wir haben eineinhalb Jahre mit ihnen gemeinsam an der Grundlagenforschung zu CRISPR-Cas9 gearbeitet. Sie wollen natürlich immer neue Punkte in Zellennden, die sie mit neuen Medikamenten gezielt bearbeiten können. Wir helfen ihnen, diese Technologie als neuen Weg zu gehen, um fortgeschrittene Grundlagenforschung zu betreiben.

Hat die gesamte Pharmaindustrie Interesse an der Methode?

Begeisterung und Interesse sind über alle Industrien hinweg betrachtet unterschiedlich; die Pharmaindustrie hat als Ganzes enormes Interesse, ja. Zwischen uns und auch anderen CRISPR-Cas-Start-ups gab es eine ganze Reihe an Partnerschaften in den vergangenen drei Jahren und viele Investments von den größten Pharmaunternehmen werden zurzeit getätigt, um schneller zu neuen Produkten zu kommen.

Wird sich das Gesundheitswesen durch Genmanipulation verändern?

Ja, es verändert sich auch jetzt schon mit diesem Konzept der präziseren und personalisierten Medizin und dem Verständnis, dass die Genetik einer Krankheit anleiten sollte, welches Medikament man einnimmt. Wir hatten bis dato ein sehr generelles Verständnis; am Beispiel Brustkrebs und Bauchspeicheldrüsenkrebs: Sie wurden auf zwei verschiedene Arten behandelt. Nun beginnt wirklich dieses Verständnis, dass, wenn Sie zum Beispiel Brustkrebs haben und das von derselben Genmutation verursacht wurde wie „mein“ Bauchspeicheldrüsenkrebs, wir dasselbe Medikament bekommen sollten. Wenn eine Frau Brustkrebs aus einem anderen Grund hat, sollte auch ein anderes Medikament eingenommen werden. Die Medizin sollte zur Genetik des Patienten passen – hier haben wir gerade einmal die Spitze des Eisbergs gesehen. Genmanipulation und Gentherapie werden eine Welle an neuen Medikamenten entfesseln, die zugeschnitten sind auf das genetische Problem, das eine Krankheit verursacht.

Zur Person:

2011 hat Haurwitz gemeinsam mit Jennifer Doudna Caribou Biosciences gegründet. Die Wissenschaftlerinnen lernten einander während Haurwitz’ PhD-Studium an der University of California, Berkeley kennen und forschten an der CRISPR- Cas9-Methode zur gezielten Bearbeitung einzelner DNA-Stränge. Die Entdeckung dieses Ursprungs für ein potenziell milliardenschweres Business geht auf die Französin Emmanuelle Charpentier zurück, die, weil sie so viele Experimente gleichzeitig machen wollte, Jennifer Doudna an Bord holte (und auch eine Zeit lang in Wien forschte). Gemeinsam haben sie unzählige Wissenschaftspreise bekommen. Zwischen ihnen und Feng Zhang vom Broad Institute des MIT (Massachusetts Institute of Technology) und der Harvard-Universität ist ein Patentstreit entbrannt. Beide Parteien beanspruchen die Entdeckung für sich – Lizenzen, um die Methoden anzuwenden, haben beide bereits gelöst; Zhang in Kooperation mit dem Lebensmittel-Konzernriesen Monsanto (dessen Übernahme durch den Pharmagiganten Bayer AG Ende 2016 bekannt gegeben wurde), Caribou mit dem ebenfalls US-amerikanischem Chemie-Schwergewicht DuPont.

Niklas Hintermayer,
Redakteur

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