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Intelligente Computer

Klassische Computertechnik stößt an fundamentale physikalische Grenzen. Der moderne Quantencomputer wird diese überwinden und läutet somit ein neues Technologie-Zeitalter ein.

Wer kennt ihn nicht, den durchgedrehten Supercomputer „HAL9000“ aus Stanley Kubrick’s epischem Filmmeisterwerk “2001: Odyssee im Weltraum“? Das einzelne starre Auge; die gelbe Pupille umgeben von einer tiefroten Iris, der nichts entgeht. Der Supercomputer, der die Menschen an Bord seines Raumschiffes als Gefahr für die Mission erkannt hat, plant deren Tod aus rein logischen Beweggründen, frei von Selbstzweifeln oder Mitleid. Und obwohl HAL9000 sicherlich der bekannteste Vertreter mordender intelligenter Maschinen ist, trachten auch eine Reihe anderer Computer uns Menschen nach dem Leben. Die Liste ist lang: „Skynet“ aus den „Terminator“-Filmen, „Alpha 60“ aus dem Meisterwerk „Alphaville“, die „Red Queen“ aus „Resident Evil“ oder „die Matrix“ aus der gleichnamigen Filmreihe. Sie alle betrachten die Menschheit als unselbständig, unvollkommen und sogar als Fehler.

Es ist uns Menschen seltsam eigen, sich in Gegenwart eines Intelligenteren oftmals unwohl und unter Umständen sogar bedroht zu fühlen. Der Gedanke an eine künstliche Intelligenz mit Selbstbewusstsein ist daher ebenso faszinierend wie furchterregend. Science-Fiction-Filme spielen schon lang mit der Angst des Menschen, dass er eines Tages von einem Computersystem, das er selbst erschaffen hat, übertrumpft und unterdrückt wird. Diese Furcht ist natürlich irrational; unbestritten ist jedoch, dass das menschliche Gehirn in einigen Dingen dem Computer hoffnungslos unterlegen ist. Das beste Beispiel dafür sind sicherlich Rechenaufgaben. Wer kann schon 36.543 x 48.237 in Sekundenbruchteilen im Kopf rechnen? Nahezu jeder bemüht einen Computer, um das Ergebnis 1.762.724.691 zu erhalten. Oder auch in Sachen Speicherplatz ist uns ein Computer überlegen: Welcher Mensch ist in der Lage, sich tausende Bücher Wort für Wort über nahezu unbegrenzte Zeit zu merken?

Allerdings ist es bis zu einem wirklich intelligenten Computer noch ein sehr weiter Weg. Obwohl „Intelligenz“ als Begriff nicht eindeutig formuliert ist, herrscht ein gewisser Konsens über grundlegende Fähigkeiten eines intelligenten Wesens: Lernfähigkeit, Kreativität, die Befähigung Gelerntes umzusetzen, auf äußere Einflüsse zu reagieren und – natürlich – Selbstbewusstsein. Die heutigen, auf Silizium basierten Computer werden dazu niemals in der Lage sein. Der Speicherplatz und die Verarbeitungsgeschwindigkeit aller Daten sind viel zu gering, um wahre Intelligenz zu erzeugen. Der Grund liegt darin, dass die Technologie, auf der diese Computer basieren, an grundlegende physikalische Grenzen stößt. Insbesondere besitzen die Leiterbahnen auf den Computerchips einen Durchmesser von nur noch wenigen Atomen; eine weitere Verkleinerung ist somit schlichtweg unmöglich. Die einzige Alternative, die Rechenleistung verfügbarer Rechenmaschinen zu erhöhen, besteht somit in der Parallelschaltung einer Vielzahl an Computerkernen, was enorme Ressourcen an Material, Platz und Energie benötigt.

Dies stellt unsere heutige Gesellschaft jedoch vor gewaltige Probleme. In unserer modernen digitalen Welt sind Computer ein wichtiger Teil unserer Gesellschaft und in fast allen Bereichen des täglichen Lebens zu finden. So verarbeitet Google beispielsweise über 200 Millionen Suchanfragen pro Stunde, Facebook-Nutzer laden jeden Tag ca. 350 Millionen Bilder in ihre Profile und der globale Internet-Traffic erreicht die unvorstellbare Menge von einem Zetabyte pro Jahr (was ungefähr 50.000 Gigabyte pro Sekunde entspricht). Dieser immense Datenstrom stellt zusammen mit der immer weiter steigenden Komplexität der notwendigen Berechnungsalgorithmen die größte Herausforderung der modernen Computertechnologie dar. Es wird immer deutlicher, dass es jetzt an der Zeit für innovative fortschrittliche Ideen ist.

Einer der vielversprechendsten Ansätze, mit denen die gegenwärtigen Probleme der globalen Datenverarbeitung überwunden werden können, sind sogenannte Quantencomputer. Diese leistungsfähigen Maschinen arbeiten mit sogenannten Quanten-Bits (Qubits), sodass ihre Rechenkraft weit jenseits der unserer heutigen klassischen Computer liegt. Letztere arbeiten mit herkömmlichen Bits, also Nullen und Einsen, wobei ein Bit entweder 0 oder 1 ist. Eine Berechnung startet also jedes Mal mit einem festen Wert, nämlich mit 0 oder 1, und liefert stets das gleiche Ergebnis. Diese Art der Berechnung wird „deterministisch“ genannt und weist zwei entscheidende Nachteile auf. Zum einen ist dem klassischen Computer Zufall fremd; er kennt keine Zufallszahlen. Viele moderne Computeralgorithmen benötigen jedoch genau diese, sei es bei der Wettervorhersage, bei Börsenkursen, Suchmaschinen im Internet oder der Kryptographie. Und zweitens können klassische Computer stets nur eine Berechnung gleichzeitig ausführen. Entsprechend komplexe Rechenoperationen dauern daher zum Teil sehr lange (manche theoretisch sogar Tausende oder Millionen Jahre).

Qubits funktionieren auf völlig andere Art und Weise. Im Gegensatz zu klassischen Bits sind sie unbestimmt; sie sie sind gleichzeitig 0 und 1. Was seltsam klingt und für viele sicher nur schwer vorstellbar ist, bietet jedoch fantastische Möglichkeiten. Alle Berechnungen basieren nun auf Wahrscheinlichkeiten; Zufall und Zufallszahlen sind nunmehr das Herz einer jeden Rechnung. Quantencomputer arbeiten also „probabilistisch“ und können durch den Unbestimmtheitsfaktor des Qubits auch verschiedenste Rechnungen gleichzeitig ausführen, also auch hochkomplexe Algorithmen in vergleichsweise kurzer Zeit durchlaufen. Das beste Beispiel hierfür ist die Zerlegung einer beliebigen Zahl in Primzahlen, also Zahlen, die sich nur durch 1 und durch sich selbst teilen lassen (also z.B. 5 oder 11 oder 73517). Während ein klassischer Computer für die Zerlegung einer Zahl mit 100 Stellen mehrere Milliarden Jahre benötigen würde, hätte ein Quantencomputer diese Aufgabe in weniger als einer Sekunde gelöst!

Es existieren bereits heute eine Reihe an experimentellen Plattformen, mit denen sich Quantencomputer realisieren lassen. Neben Atomen, Ionen, und Fehlstellen in Festkörpern sind hier vor allem Photonen (den „Elementarteilchen“ des Lichts) sowie Supraleiter zu nennen. Und obwohl all diese Manifestationen so unterschiedlich sind, arbeiten letztendlich doch alle – auf ihre ganz eigene Art und Weise – mit modernen Qubits. In den letzten Jahren ist es gelungen, erste, sehr einfache Quantencomputer zu konstruieren, die jeweils ein einziges Problem lösen konnten. Ziel dieser Geräte war es noch nicht, die Rechenkapazität klassischer Rechner zu übertreffen, sondern fundamentale Gesetzmäßigkeiten und die „Machbarkeit“ von Quantencomputern zu überprüfen. Die Ergebnisse dieser Forschung bilden jedoch die Grundlage für den „universellen Quantencomputer“, der mit hoher Wahrscheinlichkeit in den nächsten 10-20 Jahren entwickelt werden wird. Es gibt zwar seit rund zwei Jahren eine Maschine von der kanadischen Firma D-Wave auf dem Markt, von dem die Entwickler behaupten, sie wäre ein echter Quantencomputer; viele Wissenschafter bezweifeln dies jedoch. Dies ändert jedoch nichts an der Tatsache, dass der Entwicklung des Quantencomputers höchste Priorität eingeräumt werden muss. Politik und Wissenschaft sind sich in dieser Sache absolut einig. So stellt die Europäische Union in den nächsten Jahren über eine Milliarde € bereit, um die Erforschung von innovativer Quantentechnologien voranzutreiben. Auch in Amerika, Asien und Australien wird mit Hochdruck und viel Geld Forschung betrieben. Wichtige Zentren der Quantencomputerforschung gibt es ebenfalls in Lateinamerika und Afrika. Die Erforschung von Quantencomputern ist eine globale Entwicklung; Forscher in nahezu allen Ländern leisten ihren Anteil.

Mit der Entwicklung des Quantencomputers wäre der „Flaschenhals der Informationstechnologie“ mit einem Schlag verschwunden; die heutigen Probleme der Datenspeicherung und -verarbeitungsgeschwindigkeit wäre überwunden. Mittels Quantencomputer könnte man mühelos selbst dichtesten Flug- und Straßenverkehr überwachen und steuern, neue Materialien oder sogar Medikamente designen und zugleich in realistischen Modellen testen, und letztendlich auch digitale Sicherheit auf ein unerreichtes Niveau heben.

Aufgrund ihrer überlegenen Rechenleistung werden wir Quantencomputern möglicherweise auch irgendwann eine Form der echten Intelligenz und damit eine Art Selbstbewusstsein einprogrammieren. Eines ist jedoch sicher: Gefühle werden wir einem Quantencomputer sicher niemals lehren können. Denn ein Computer, egal ob klassisch oder quantum, versteht eben nur Zahlen, mit denen man jedoch Gefühle nicht beschreiben kann. Somit wird ein Quantencomputer immer rein logisch handeln, ohne den Einfluss irgendwelcher Emotionen. Bleibt zu hoffen, dass wir Ihnen nicht zu viel Kontrolle über unsere Welt geben und diese uns Menschen tatsächlich eines Tages als unselbständig, unvollkommen oder sogar als Fehler betrachten, so wie HAL9000…

Gastkommentar von Alexander Szameit

Alexander Szameit (Jahrgang 1979) ist nach mehreren Forschungsaufenthalten im Ausland (u.a. in Hawaii, Australien und Israel) seit 2016 Inhaber des Lehrstuhls für „Experimentelle Festkörperoptik“ an der Universität Rostock, der ältesten Universität im Ostseeraum und drittältesten Universität in Deutschland. In seinen Forschungsarbeiten beschäftigt er sich vor allem mit der gezielten Manipulation von Licht in mikro- und nano-optischen Strukturen. Er hat zu dieser Thematik bisher über 500 Publikationen veröffentlicht und wurde mit zahlreichen Preisen geehrt – zuletzt etwa mit dem „Alfried-Krupp-Förderpreises für junge Hochschullehrer 2017“.

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