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Fette Kohle

Von den dystopischen Zuständen wie in „Wall-E“ sind wir noch weit entfernt. Doch das steigende Übergewicht der Menschen ist ein Problem – und für manche eine Goldgrube.

Wall-E traut seinen Augen kaum: Träge liegen sie da, unterhalten sich über ein futuristisches Videotelefonsystem miteinander und machen keinen einzigen Schritt. Die Menschen sind zu dick, zu träge, völlig unbeweglich. Der Roboter, der Tag und Nacht unermüdlich arbeitet, versteht diese Lebensweise einfach nicht.

Der Planet Erde musste im Film „Wall-E“ evakuiert werden, denn der Müll ist den Menschen im wahrsten Sinne des Wortes über den Kopf gewachsen. In ihrer neuen Heimat – einem riesigen Raumschiff – hat die Technologie sie von der Last der Bewegung befreit. Und so leben sie liegend vor sich hin und wachsen einzig und alleine hinsichtlich ihres Körperumfangs.

Das im Film dargestellte Problem ist klarerweise übertrieben. Und dennoch ist Übergewicht ein hochaktuelles Thema: Weltweit sind laut Weltgesundheitsorganisation (WHO) fast zwei Milliarden Menschen übergewichtig, 600 Millionen gar fettleibig. Und das Problem trifft nicht nur Ältere: 41 Millionen Kinder unter fünf Jahren waren 2014 (so die aktuellsten Zahlen) übergewichtig oder fettleibig.

Der Trend beschleunigt sich – seit 1980 hat sich die Zahl Übergewichtiger global gesehen verdoppelt. Ungewöhnlicherweise ist es überall die gleiche Geschichte: Während die Zahlen in Westeuropa und den USA hoch sind, stieg das Übergewicht auch in China deutlich und sogar – wenn auch nur gering – in Staaten wie Nordkorea. Den Trend machen sich nicht nur Unternehmen, sondern zunehmend auch Investoren zunutze. So etwa die Fondsmanager von Janus Capital, die sich wohl gegenseitig „High Fives“ gaben, als sie das Tickersymbol für ihre neueste ETF-Kreation (Exchange Traded Fund, passiv gehandelte Anlagefonds) ausdachten: SLIM. Dass das englische Wort für schlank ausgerechnet für einen Fonds verwendet wurde, der vom steigenden globalen Übergewicht profitiert, entbehrt nicht einer gewissen Ironie. Abgesehen von dem Tickersymbol und einer leider fehlenden Diversifizierung im Fonds selbst muss man Janus dennoch ein Kompliment machen.

Denn nicht nur verstehen Anleger zur Abwechslung mal ein Finanzprodukt – wenn die Leute übergewichtiger werden, vermehrt sich mein Geld. Die Frage, die sich stellt: Welche Unternehmen profitieren eigentlich von der immer schwerer werdenden Menschheit? Ein heißer Tipp sind natürlich Gesundheitsaktien wie Fresenius und Novo Nordisk, die beide ein starkes Geschäft mit Insulin machen. Denn höheres Gewicht führt zu mehr Diabetes-Patienten (Diabetes Typ 2 hängt unter anderem vom Lebensstil der Patienten ab). Das führt zu mehr Insulinbedarf, was beim deutschen Hersteller Fresenius oder den Dänen Novo Nordisk die Kassen klingeln lässt. Novo Nordisk hat überhaupt eine breite Produktpalette im Bereich Übergewicht und Diabetes, etwa auch die Pille Saxenda, deren Umsätze sich im ersten Quartal 2017 im Jahresvergleich verdoppelten. Die Aktie der Dänen begab sich in der zweiten Hälfte 2016 zwar auf Talfahrt, klettert seit Jahresbeginn aber wieder und könnte diesen Trend weiter fortsetzen. Neben dem Marktführer haben auch andere Konzerne das Geschäft mit dem Übergewicht für sich entdeckt, etwa der japanische Pharmakonzern Eisai oder Roche aus Basel.

Doch nicht nur Medikamente helfen gegen die zusätzlichen Kilos, auch Bewegung und Ernährung sollen angeblich Wunder wirken. Das zeigt sich natürlich auch an den Aktienmärkten. Während sich der Sportartikelhersteller Under Armour derzeit schwertut, hebt Adidas seit geraumer Zeit ab. In Sachen Ernährung profitiert allen voran der US-Diätkonzern Weight Watchers von dem wachsenden Anteil an potenziellen Kunden. Nach Schwierigkeiten mit der Implementierung von Webservices für Kunden präsentierte der Konzern – der vor allem für sein Punktesystem bei der Nahrungseinnahme und US-Talk-Queen Oprah Winfrey, die 15-Prozent-Aktionärin ist, bekannt ist – starke Zahlen. Auch für den Nahrungsersatzmittelhersteller Herbalife läuft es derzeit wie geschmiert: Nach einem starken ersten Halbjahr erhöhte man den Ausblick für das Gesamtjahr 2017. Herbalife bietet Shakes an, die Mahlzeiten ersetzen und so beim Abnehmen helfen sollen. Testimonial und damit Kunden-Motivator ist übrigens Fußballstar Cristiano Ronaldo.

Der Trend zum Übergewicht wird von vielen Experten als größte gesundheitliche Bedrohung der nächsten Jahre gesehen – bietet für schlaue Investoren jedoch Möglichkeiten. Der erwähnte SLIM-ETF ist dafür vermutlich aber nicht die allerbeste Wahl. Die Holdings sind zu wenig diversifiziert, wodurch sich Klumpenrisiken ergeben. Novo Nordisk macht 22 Prozent der Holdings aus; gemeinsam mit den fünf Prozent, die auf den deutschen Konkurrenten Fresenius entfallen, setzt der Fonds fast zu einem Drittel auf zwei Gesundheitsunternehmen, die in sehr ähnlichen Bereichen agieren.

Dass die in Wall-E prophezeite Zukunft Wahrheit werden könnte ist unklar, wird aber angesichts der Zahlen wahrscheinlicher. Und wenn uns schon eine Dystopie bevorsteht, dann kann man ja in der Zwischenzeit wenigstens noch ein bisschen Geld verdienen.

Klaus Fiala,
Chefredakteur

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