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Das zweite Maschinenzeitalter macht vielen Angst: Jobverlust, Massenarmut drohen. Oder doch nicht? Wir haben gerade jetzt die Chance, unsere Gesellschaft zum Besseren zu transformieren.
In einer riesigen Lagerhalle stehen sie in Hundertschaften, perfekt aufgereiht. Weiß, gesichtslos, anonym. Die Roboter im Film „I, Robot“ haben nur eine Mission: den Menschen zu dienen. Eine Software sorgt dafür, dass das so bleibt. Bis ein Roboter den Vorstand der Herstellerfirma U.S. Robotics tötet. Der Film wirft eine Reihe von ethischen Fragen auf: Was, wenn ein Roboter lernen, Emotionen zu fühlen? Benötigen wir dann eine neue Arbeitsethik oder dürfen wir Roboter weiterhin versklaven? Was nehmen uns die Roboter weg, wie sehr werden sie über uns bestimmen?
Jeder zweite Mensch wird durch einen Roboter ersetzt werden, so die Prognose mancher Experten. Laut der International Federation of Robotics werden dieses Jahr 280.000 Industrieroboter in Betrieb genommen. 2017 waren es 250.000. Rufe nach Gegenmaßnahmen werden laut: die obligatorische 30-Stunden-Woche sollte eingeführt werden, um Arbeit gerechter zu verteilen. Oder ein Gütesiegel „made by humans“ für Produkte von Menschenhand, wie die Juristenvereinigung International Bar Association in ihrer Studie zum Robotikrecht.
Dem Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung der Wirtschaftsuniversität Wien zufolge sind gegenwärtig bereits rund vier Millionen Menschen in Deutschland durch Roboter und Künstliche Intelligenz ersetzbar – das sind immerhin 15 Prozent aller sozialversicherungspflichtig Beschäftigten.
Tatsache ist: Roboter sind vielerorts zuverlässige Kollegen der Menschen geworden. In Labors, in Operationssälen, in Produktionshallen, manchmal sogar an der Rezeption eines Hotels, wie das von Robotern geführte Henn'na Hotel in Urayasu in Japan zeigt. Sogar maschinelle Stripperinnen gibt es bereits – derzeit zwar nur als Gag für Nerds, doch Roboter leisten den Menschen offensichtlich auch hier gute Dienste.
Noch, meinen manche Apokalyptiker. Denn werden erst einmal die Menschen im großen Stil durch Roboter ersetzt, kommen dunkle Zeiten auf uns zu: Massenarbeitslosigkeit, Massenarmut, schlimmstenfalls wirtschaftlicher Kollaps durch fehlende Kaufkraft. Und wenn Roboter und Künstliche Intelligenz sich noch selbst weiterentwickeln und sich gegen die Menschheit richten, dann gute Nacht.
Kontrollverlust und Jobverlust
Das ist ein zutiefst menschliches Empfinden. Denn die Angst vor Technologien ist in Wahrheit die Angst vor Kontrollverlust und Entmachtung. Doch, wie auch der Philosoph Michel Serres fragt: „Werden wir zu Sklaven des Digitalen? Das kommt auf uns an.“ Man müsse auch fragen, „ob wir nicht Sklaven der Sprache, der Schrift, all der Geräte sind, die uns in unvorstellbarer Zahl umgeben.“ Der Mensch sei der Herr über die Technologien – Roboter und Algorithmen sind seine Knechte.
Die Digitalisierung schafft laufend neue Jobs, die wir uns zum Teil noch gar nicht ausmalen können. Ungezählte Start-ups schießen wie Pilze aus den technologiegedüngten Böden. Klar ist allerdings: Sie benötigen weit weniger Mitarbeiter als jene Unternehmen, die sie disruptieren. Ein Fintech-Unternehmen kommt im Vergleich zu einer Bank mit ebenso vielen Kunden und nur einem Bruchteil deren Mitarbeiter aus. Die Plattform Airbnb etwa beschäftigt weltweit nur rund 2000 Mitarbeiter – bei 200 Millionen Gästen seit 2008 und einem Marktwert von geschätzten 30 Milliarden US-$. Zum Vergleich: Hilton, die wertvollste Hotelmarke der Welt mit einem Marktwert von 7,8 Milliarden US-Dollar, beschäftigt 170.000 Mitarbeiter weltweit.
Unberechtigt ist die Angst vor Jobverlust daher nicht. Doch angesichts des tiefgreifenden Wandels nur die Wegrationalisierung von Jobs zu sehen, greift zu kurz. Wir erreichen schließlich immer mehr – mit weniger Aufwand. Künstliche Intelligenz und Roboter übernehmen unliebsame Aufgaben, die ohnehin niemand machen will. Darüber sollten wir eigentlich glücklich sein – denn dieser Wandel bietet uns endlich die Chance, alles richtig zu machen.
Schon die letzte Industrialisierungswelle hat uns vieles an Annehmlichkeiten gebracht: Erschwingliche Konsumartikel, mehr Kaufkraft, höhere Lebensstandards und dank der Gewerkschaften auch geregelte Arbeitsbedingungen. Und tatsächlich auch mehr Jobs, wie eine US-Studie der Unternehmensberatung Deloitte zeigt. Sie hat die Arbeit von 1871 bis in die Gegenwart analysiert. Das Resultat:
+ 1871 arbeiteten 80 Prozent der US-Bevölkerung in der Landwirtschaft, heute sind es zwei Prozent. Die Sektoren Dienstleistungen und Produktion erlebten hingegen massive Zuwächse an Arbeitskraft.
+ Der Anteil an schwerer körperlicher Arbeit hat massiv abgenommen.
+ Unter dem Strich haben Technologie und Innovation in den vergangenen 150 Jahren mehr Jobs geschaffen als vernichtet.
Das Fazit der Autoren: “Maschinen werden künftig mehr repetitive und mühsame Aufgaben übernehmen, aber eliminieren den Bedarf an menschlicher Arbeit nicht in stärkerem Maße, als sie es bereits in den vergangenen 150 Jahren getan haben.“
Es wird also neue Arbeit geben, die eben anders aussehen wird als bisher.
Mehr Skills gefragt
Helmut Leopold vom Austrian Institute of Technology AIT, hält wenig von Schreckensutopien. In einem Interview mit der österreichischen Tageszeitung „Der Standard“ sagte er: „Die Qualität und Art der Arbeit wird sich ändern. Einfache Tätigkeiten wie tausendmal dasselbe Loch bohren zu müssen, werden jetzt schon unabhängig von neuen Technologien in Länder ausgelagert, wo Menschen das für sehr wenig Geld machen. Anderseits steigt der Bedarf an gut ausgebildeten Mitarbeitern. Die Roboter müssen auch gebaut, die Software muss geschrieben werden. Das entspricht auch mehr dem, was uns eigen ist, nämlich kreativ zu sein.“ Menschliche Skills, wie Kreativität, Empathie, soziale Fähigkeiten, werden auch künftig gefragt bleiben. Beschwerliche Routinearbeiten, die ohnehin niemand mehr machen will, werden zunehmend maschinisiert werden.
Zeit für eine Neudefinition von Arbeit?
Dass sich mit dem zweiten Maschinenzeitalter aber auch die Verteilung von Arbeit und damit einhergehend unsere Haltung zur Arbeit verändern wird, scheint evident. Damit stellt sich die Frage: Was macht ein lebenswertes Leben aus? Sinnvolle, erfüllende Beschäftigung und ein zumindest existenzsicherndes Einkommen, werden wohl viele antworten. Gerade das zweite Maschinenzeitalter bietet die Gelegenheit, über unseren Arbeitsbegriff zu reflektieren und unsere Haltung dazu zu hinterfragen. Denn Arbeit – was ist das? Ist es etwa keine Arbeit, Kinder zu betreuen, einen Haushalt zu führen, ehrenamtlich Menschenleben als Rettungssanitäter oder Feuerwehrmitglied zu retten? Soll die Arbeit den Menschen regieren oder nicht lieber umgekehrt der Mensch die Arbeit? Die Zunahme an maschineller Arbeit sollte dazu führen, dass menschliche Arbeit mehr geschätzt wird.
Das, was uns Menschen von Maschinen, Robotern, Algorithmen unterscheidet, zu schätzen, zu entlohnen und zu zelebrieren: zwischenmenschliche Beziehungen, empathische Gespräche, kreatives Schaffen und Innovationskraft, das Verstehen und Lenken von Emotionen, Intuition. Entwerfen wir doch eine positivere, konstruktivere
Utopie: Die Persönlichkeit des Menschen wird im Business Einzug halten. Der Mensch wird nicht mehr auf seine Arbeitskraft reduziert, sondern in seiner Ganzheit geschätzt.
Tatkraft statt Arbeitskraft lautet die Devise. Er unterstützt auch abseits von Erwerbsarbeit mit Arbeit jeglicher Art die Gesellschaft – egal ob durch Kinderbetreuung, ehrenamtliche Tätigkeiten, durch Erfindungen oder durch einfache Nachbarschaftshilfe.
Arbeitslosigkeit vs. Geldlosigkeit
Der bereits verstorbene Arbeitssoziologe Ulrich Beck etwa sagte schon 2006 in einem Interview mit der Süddeutschen Zeitung: „Ist es nicht wunderbar, wenn ich ein Ziel mit einem Zehntel der Arbeitskräfte erreiche und natürlich auch mit einem entsprechend geringen Anteil an Leiden und Mühen der harten Arbeit?“ Für Verfechter der Vollbeschäftigung ist dieser Gedanke ein Gräuel. Denn Arbeit bedeutet Existenzsicherung. Und bedeutet Unabhängigkeit von staatlichen Geldern. Doch Beck schlägt mit dieser Aussage in die Kerbe von Frithjof Bergmann, dem Begründer von New Work. Das Konzept: Ein Drittel Erwerbsarbeit, ein Drittel Berufung und Schöpfertum, ein Drittel gemeinnützige Arbeit für die Gesellschaft. Die Maschine könnte uns diesmal wirklich vom Joch der schweren, nervigen, aufreibenden Arbeit befreien und uns Freiräume erschließen, in denen wir schöpferisch oder sozial tätig werden.
Das Problem, sagt Beck, sei nicht Arbeitslosigkeit, sondern Geldlosigkeit. Er plädierte schon 2006 wie auch inzwischen andere Experten für das bedingungslose Grundeinkommen. „Es soll uns vom Arbeitszwang befreien, aber ganz und gar nicht von sinnvoller Arbeit“, so Beck. Das zeigen auch erste Experimente in Schweden und Deutschland: Die Menschen werden aktiv, engagieren sich. Wer arbeiten wolle, der würde es künftig viel freier und selbstbestimmter tun. Wer faul auf der Couch vor der Glotze sitze, der tue das auch jetzt schon. Auch Arbeitslosigkeit koste Geld. Mit dem Grundeinkommen würde man in die Selbstbestimmung der Menschen investieren – finanziert etwa aus einer Konsumsteuer.
Soziale Innovation fehlt
Auch hier brauchen wir soziale Innovation. Denn viel mehr als das Modell des bedingungslosen Grundeinkommens wird auch elf Jahre nach Becks Überlegungen noch nicht zur Diskussion gestellt. Vielleicht gibt es irgendwann einen Marktplatz von
Fähigkeiten und Tätigkeiten, auf dem Menschen der Gesellschaft ihre Dienste jeglicher Art anbieten und über einen von Konzernen finanzierten Fonds entlohnt werden. Hier fehlt es definitiv an radikaler Innovationskraft, etwas wirklich Neues entstehen zu lassen. Philosoph Konrad Paul Liessmann sagt: „Viel, was als Innovation gehandelt wird, erweist sich oft lediglich als Variation, als Verbesserung, Weiterentwicklung einer seit langem bekannten Neuerung.“ Echte technologische Innovation geht laut Liessmann auch immer mit sozialer Transformation einher.
Das zweite Maschinenzeitalter wird also nicht nur die Art, wie wir arbeiten und den Umfang und Aufwand unserer Erwerbsarbeit verändern. Es wird unsere Gesellschaft verändern. Unseren Tagesablauf, unsere Werte, unser Zusammenleben. Diese soziale Transformation müssen wir aktiv gestalten.
Tatsache ist: Arbeit wird den Menschen niemals ausgehen. Wieviel davon tatsächlich Erwerbsarbeit sein wird, ist die Frage.
Dieser Beitrag ist eine Forbes BrandVoice der WU Executive Academy.
Die WU bündelt in der WU Executive Academy ihr Programmportfolio im Bereich „Executive Education“. Zu diesen zählen MBA und Master of Laws Programme, das Universitätsstudium Diplom BetriebswirtIn, Universitätslehrgänge, für Unternehmen maßgeschneiderte Custom Programs und Kurzprogramme. Die WU Executive Academy gehört heute zu den führenden Weiterbildungsanbietern in Zentral- und Osteuropa, was die „triple accreditation“ (AASCB, EQUIS und AMBA) und Top-Platzierungen in den wichtigsten MBA-Rankings belegen.
Text: Helga Pattart-Drexler
Helga Pattart-Drexler leitet den Bereich Executive Education an der WU Executive Academy und entwickelt gemeinsam mit ihrem Team maßgeschneiderte Führungskräfteprogramme im In- und Ausland.
In ihrem Studium beschäftigte sie sich mit den Thema Erwachsenenbildung und Lernen. Sie verfügt außerdem über umfangreiche Erfahrung in den Bereichen Organisations- und Personalentwicklung sowie Coaching.