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Viele Menschen versprechen sich von Neuro-Enhancern, ihr Gehirn auf Hochtouren zu bringen. Doch steckt dahinter reines Wunschdenken – ohne medizinische Indikation?
Eine kleine Pille, die unscheinbar aussieht. Der Name NZT-48 klingt aber vielversprechend. Eddie Mora kann sie jedenfalls gut gebrauchen. Denn in seinem Brotberuf als Schriftsteller summieren sich die leeren Textseiten. Ein Turbo-Boost für das Gehirn kommt ihm da gerade Recht – und NZT hält was es verspricht. Auf einen Schlag erhöhen sich Moras Intelligenz und Erinnerungsvermögen. Seinen Roman schreibt er innerhalb weniger Tage, mittels Daytrading an der Börse vermehrt er sein Vermögen rasant. Denn hochkomplexe Börsenkurse innerhalb von Sekunden zu analysieren ist mit NZT kein Problem mehr.
Eddie Mora wird tatsächlich von Bradley Cooper im Film „Ohne Limit“ gespielt. Eine Wunderdroge wie NZT existiert heutzutage (noch) nicht. Sehr wohl gibt es aber ein Phänomen: Neuro-Enhancement. Also den Versuch, die kognitiven Leistungen bei gesunden Menschen mittels Medikamenten und ohne Nebenwirkungen zu steigern. Leistungsdruck und der daraus resultierende Wunsch nach Leistungssteigerung gibt es nicht erst seit heute. Bereits im Zweiten Weltkrieg schluckten Millionen Soldaten und Piloten Amphetamin (sogenannte „go pills“) um länger wach zu bleiben. Soldaten im Irak pushten sich mit Modafinil (soll ursprünglich die Schlafkrankheit Narkolepsie behandeln, Anm.) – jenes Medikament wurde rund um die Jahrtausendwende in den Vereinigten Staaten zugelassen.
Ein anderes Psychostimulanzium, dass immer wieder für Schlagzeilen sorgt, ist Ritalin. Ursprünglich zur Behandlung von Kindern, die unter der Aufmerksamkeits-Defizit-Hyperaktivitäts-Störung (ADHS) leiden, gedacht, kam es in den 1950er-Jahren auf den US-Markt. Bereits zehn Jahre später, in den 1960er-Jahren, wurde es von vielen Menschen ohne medizinische Indikation eingenommen. Der Wirkstoff Methylphenidat führt zwar durchaus zu mehr Konzentration und Wachheit. Eine nachhaltige Verbesserung von Gehirnfunktionen – etwa im Sinne einer Steigerung des Langzeitgedächtnisses – tritt aber nicht ein. Von einer Wunderdroge kann also noch lange nicht die Rede sein. Weitere Psychostimulanzien, die heutzutage ausprobiert werden, sind beispielsweise Mittel gegen Demenz, Antidepressiva oder β-Blocker. So facettenreich die Medikamente, so verschieden sind heutzutage auch die Konsumenten: Börsenmakler, Wissenschafter, Studierende, die Nächtelang für ihre Prüfungen büffeln. Besonders unter Studenten im angloamerikanischen Raum steht Gehirndoping hoch im Kurs. Ritalin heißt hier das Allheilmittel – damit kann locker einmal mehrere Stunden durchgelernt werden.
So sehr auch der Wunsch nach maximaler Leistungsfähigkeit zur Einnahme solcher Substanzen verleitet; es ist keineswegs bewiesen, dass derartige Substanzen ohne medizinische Indikation die kognitiven Leistungen tatsächlich verbessern können. Und noch viel weniger: wie viele Personen weltweit derartige Methoden anwenden. Dies machte etwa die Neurowissenschafterin Ilina Singh von der Oxford University auf einer Konferenz vergangenes Jahr in Wien deutlich. Zumindest für ihr Heimatland Großbritannien gibt es eine Statistik, welche im Rahmen des internationalen Forschungsprojektes „NERRI“ (von der Europäischen Union gefördert) durchgeführt wurde. Zehn Prozent der Studierenden bestätigten bereits derartige Substanzen eingenommen zu haben. Regelmäßig konsumieren dies jedoch weniger als ein Prozent.
Doch nicht nur Studierende haben bereits seit längerem die Neuro-Enhancer für sich entdeckt. Auch die internationale Start-up-Welt – wenn auch in einem etwas anderen Kontext. CBS-Insight listet 17 Start-ups, die mit ihren Produkten und Nahrungsergänzungsmitteln darauf abzielen, das Gehirn stärker und stressresistenter zu machen. Darunter sind etwa Halo Neuroscience, InteraXon, Headspace, Nootrobox und das in Israel ansässige Unternehmen BrainsGate. Passend dazu schrieb etwa auch der Harvard University-Genetiker George Church über bevorstehende Technologien, die „unser Gehirn sowohl biologisch als auch elektronisch erweitern“. Ob diese wirklich einmal so stark wie NZT werden, ist allerdings mehr als fraglich.