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Auf in neue Welten

Die Neugierde nach neuen Lebensformen und Welten steckt im Menschen. Besonders Virtual Reality (VR) befeuert diesen Wunsch. Derartige Visionen entspringen aber auch dem Science-Fiction-Kosmos.

In Sekundenschnelle tippt Captain Jean-Luc Picard die Koordinaten am Bildschirm ein. Es muss rasch gehen, die Borg – die Cyborg-artigen Feinde im Star-Trek-Universum – sind hinter ihm her. Picard muss einen passenden Ort finden, um sie in einen Hinterhalt zu locken. Zur Auswahl stehen etwa die Avenue des Champs-Élysées in Paris oder ein Western-Szenario. Schließlich entscheidet er sich für das Holoprogramm aus der „Dixon-Hill-Serie“ des gleichnamigen Privatdetektivs: San Francisco in den 1940er-Jahren, Bar, Tanzfläche, Jazzmusik. Ein Knopfdruck, schon befindet sich Picard dort. Doch wie hat er das gemacht? Er hat das Holodeck benutzt, einen holografischen Umgebungssimulator, mit dem man virtuelle Welten betreten kann. Personen werden zum Leben erweckt, Objekte können gesehen, angegriffen, gespürt, gerochen und geschmeckt werden. Die Teilnehmer können sich frei im Holodeck bewegen. Die Handlung des Films „Star Trek – Der erste Kontakt“ (1996) setzt im Jahr 2373 an. Die Besatzung des Raumschiffs Enterprise reist aber ins 21. Jahrhundert zurück, um eine Übernahme der Erde durch die Borg zu verhindern. Also: Wie sieht es im Jahr 2017 aus, kann man etwa schon ferne Städte besichtigen oder gegen Aliens kämpfen?

Moderne Entwicklungen in diese Richtung basieren auf Virtual Reality (VR). Besonders das 2014 von Facebook gekaufte Start-up Oculus VR hat hier mit seinem Oculus Rift für Dynamik gesorgt. Durch das Head-Mounted Display und die Bewegungssteuerung Oculus Touch ist es möglich, sich in dreidimensionalen, virtuellen Räumen umzusehen und zu bewegen. Die Technologie spricht bisher vor allem Consumer in der Gaming- und Elektronikbranche an. Laut Statista wird der weltweite Markt (Hardware und Software, nach PC-Plattformen; Anm.) von derzeit 2,6 Milliarden US-$ auf 16,3 Milliarden im Jahr 2020 wachsen. Dem Traum vom Holodeck einen Schritt näher gekommen ist Hannes Kaufmann von der TU Wien: Am Institute of Software Technology and Interactive Systems beschäftigt er sich etwa mit mobiler VR und Augmented Reality (AR) sowie mit Tracking-Technologien und Applikationen. Vor zwei Jahren entwickelte er gemeinsam mit seinem Team die begehbare VR-Plattform „Immersive Deck“, in der der Nutzer sowohl Kamera als auch Computerhardware mit sich herumträgt. Das soll eine höhere Flexibilität und neue Anwendungsmöglichkeiten ermöglichen.

Forbes: Wie funktioniert das „Immersive Deck“?

Hannes Kaufmann: Es ist die erste Inkarnation des Holodecks. Man kann sich frei darin bewegen, und das kabellos. Der User trägt eine Virtual-Reality-Brille auf dem Kopf, die mit einem Rechner verbunden ist. Auf dieser Brille ist eine Kamera mit weitem Öffnungswinkel angebracht. In der Brille werden zwei Bilder eingespielt, jeweils eines für das linke und für das rechte Auge – dadurch erscheint die Visualisierung dreidimensional. Der Rechner liefert 90 Bilder pro Sekunde. An der Decke und an den Wänden sind Marker befestigt. Die Kamera erfasst diese Marker und berechnet daraus die Position der Person im Raum. Dieses sogenannte Tracking muss mit möglichst wenig Latenz erfolgen, damit Bilder mit der aktuellen Position neu berechnet werden können. Die Verzögerungen sollten nur Millisekunden groß sein. Das „Immersive Deck“ ist multiuserfähig, das heißt, dass mehrere Personen sich gleichzeitig darin bewegen können. Wir machen das generell in größeren Räumen. 

Kann man Objekte – wie bei Star Trek – bereits angreifen? 

Das ist das Nächste, woran wir arbeiten. Dabei verwenden wir einen Roboterarm, der zum Beispiel ein Holzbrett anstelle einer Holzwand hinhält. Wenn ich die „Wand“ angreife, greife ich eigentlich nach diesem Brett. Der Roboter fährt im Raum immer neben dem User her, auf einem mobilen Wagen ist der Roboterarm befestigt. Unter Verwendung des Virtualizer von Cyberith (Wiener Start-up, das das multidirektionale VR-Laufband Virtualizer entwickelt hat, in dem man laufen, springen und fahren kann; Anm.) haben wir dieses Konzept bereits demonstriert und publiziert.

Was ist im Bereich der Virtual Reality noch nicht möglich? 

Von der Bilderschaffung her ist eigentlich schon fast alles möglich. Die Qualität ist in den letzten Jahren deutlich besser geworden, weil die Grafikkarten und Rechner besser werden. Bei Head-Mounted Displays können aufgrund der Linsen mit starker Vergrößerung einzelne Pixel gesehen werden. Es ist ein Pixelraster wahrnehmbar. Bezüglich Verbesserung der Auflösung gibt es noch Luft nach oben.

Welches Marktpotenzial hat das „Immersive Deck“?

Die Technologie hat viel Potenzial, zum Beispiel in der Industrie oder im Marketing. Uns interessieren vorwiegend Anwendungen, die einen Mehrwert für die Wirtschaft bieten. Autohersteller könnten den Kunden Autos zeigen, noch bevor das Auto kommt. Man könnte virtuelle Schauräume erschaffen. Wir haben bereits ein Projekt mit Immobilienmaklern abgeschlossen, wo wir VR-Begehungen von Wohnungen schnell erzeugen können. Aus dem Grundrissplan erstellt ein Algorithmus in wenigen Minuten ein automatisiertes 3D-Modell mitsamt Möblierung: Wände und Türen werden im Plan erkannt, dann wird das 3D-Modell hochgezogen. Die Software analysiert automatisch die Räume und richtet passend einen Fernseher, das Wohnzimmer etc. ein. Der Kunde kann so eine Wohnung begehen, noch bevor sie gebaut wird.

Welche anderen Felder gibt es?

Der Trainingsbereich wird groß werden. In Industriebetrieben oder Chemiefabriken, wo Unfälle passieren können, kann man die Mitarbeiter darauf einschulen; genauso im Bereich der Einsatzkräfte, etwa Feuerwehren. In der Rehabilitation nach einem Unfall, wo man neu laufen lernen muss, geht man heute auf einem Laufband. Wenn man dies in einer virtuellen Umgebung machen kann, ist man motivierter. Auch in der Psychologie gibt es große Erfolge. In Kalifornien gibt es Kliniken, die diese Technologie seit zwanzig Jahren anwenden. Man kann etwa Flugangst bekämpfen – in San Diego wurde dafür der ganze Flughafen nachmodelliert.

Zum Abschluss: Wann wird man das multifunktionale Holodeck betreten können?

Es kommt darauf an, was wir haben wollen. Im Star Trek-Holodeck ist alles virtuell, man kann alles sehen und spüren. Wir können heute Dinge sichtbar machen, um Objekte greifbar zu machen, hier laufen wie gesagt Entwicklungen. Den Geruch können wir teilweise mittels Geruchspatronen simulieren. Den Geschmack können wir aber nicht künstlich erzeugen. Durch Kopfhörer kann man Raumklang erzeugen. Die gesamte Entwicklung wird allerdings noch längere Zeit dauern, von Star Trek sind wir noch sehr weit entfernt. Die Frage ist aber: Möchte man das überhaupt? Das Gute ist heute, dass man nicht stundenlang darin verbringen kann und man deshalb auch nicht süchtig wird. Nach ein bis zwei Stunden in VR wird einem schlecht. In einem Holodeck wie in Star Trek besteht die Gefahr, dass man sich darin verliert oder das ganze Leben darin verbringt.

Bilder mit freundlicher Genehmigung von www.startrek.de
Mehr über Star Trek: www.trekworld.de

Niklas Hintermayer,
Redakteur

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