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Städte stehen schon immer für gestalterische Vielfalt. Heutzutage versprechen besonders „Smart Cities“ einen neuen Denkansatz für die Stadtplanung. Doch was könnte 2121 alles kommen?

In unserem ersten Teil zu Utopien rund um unsere Städte stöberten wir noch kräftig in der Vergangenheit: zu Le Corbusiers „Plan Voisin“ aus 1925, dem urbanen Leben unter einer Glaskuppel in „Logan’s Run“ und schließlich zu Walt Disneys „EPCOT“ – der kreisförmigen, auf Massenkonsum aufgebauten Stadt. Diesmal wählen wir jedoch einen anderen Zugang: Welche Vorstellungen zu städtischen Ballungszentren existieren heutzutage? Welche Lebensbereiche sollen verbessert werden? Und noch wichtiger: Sind diese Vorstellungen in Zukunft überhaupt realistisch?

Als eine der letzten großen Utopien der Moderne wird oftmals die Smart City bezeichnet. Die komplett vernetzte, allwissende Stadt soll dringend anstehende Herausforderungen lösen: Mittels Datenanalyse im Rahmen des Internet of Things (IoT) und Cloud-Lösungen werden Lebensbereiche effizienter und nachhaltiger gestaltet. Je mehr über das Verhalten der Bürger bekannt ist, umso besser ist es steuerbar – so der Tenor von Stadtplanern und -entwicklern.  Einen einheitlichen Begriff einer Smart City gibt es nicht. Die Europäische Union legte in der Studie „Mapping Smart Cities in the EU“ 2014 aber folgende „working definition“ fest:

A Smart City is a city seeking to address public issues via ICT-based solutions on the basis of a multi-stakeholder, municipally based partnership.

EU-„working definition“ zu Smart Cities

Smart City-Modelle finden sich überall auf der Welt: Hamburg, Wien, Oslo, Dublin, San Francisco, Dubai, Buenos Aires, Tokio. Eines der bekanntesten Beispiele ist Songdo New City als Stadtteil der südkoreanischen Stadt Incheon. Dort bestimmen Daten das Tagesgeschehen, kaum ein Bereich des alltäglichen Lebens wird nicht kontrolliert. Sensoren, die in Gebäuden und Infrastruktur verbaut sind, prüfen und regulieren den Energie- und Stromverbrauch. Auch die Straßeninfrastruktur wird mittels Sensoren getaktet: speziell geschaltete Ampeln sollen den Verkehr fließen lassen, die Straßenbeleuchtung nur dann anspringen, wenn auch Menschen unterwegs sind. Man könnte meinen, Songdo hätte Anleihen an Le Corbusiers puristischer Maschinen-Stadt genommen. Diese war rasterartig geplant – vollgepackt mit Hochhäusern. In Songdo ist ebenfalls alles durchgeplant: Schulen, Shoppingcentern, Büros, Parks, Museen und Spitälern. Zwischen den riesigen Wohn- und Bürohochhäusern gibt es aber allerlei Grünflächen und Parks, auf dem Wasser fahren elektrobetriebene Wassertaxis. Dahinter steht der Wunsch, Songdo CO2-arm und klimaschonend auszugestalten.

Hinter dem Projekt steht der Real Estate Developer New Songdo International City Development LLC (NSIC) mit Sitz in Incheon. Dieser schloss 2011 mit dem IT-Konzern Cisco Verträge über die Implementierung diverser Technologien ab. Kostenpunkt für das kalifornische Unternehmen: 47 Millionen US-$. In Zukunft wird sich im Smart City-Bereich jedenfalls noch einiges tun. Denn das Potential von Smart Cities ist riesig – das wittern auch große IT-Unternehmen wie IBM (Projekt in Rio de Janeiro), Microsoft (Barcelona) und Cisco (Dublin, Hamburg). Unglaubliche 1,56 Billionen US-$ Marktpotenzial liegen bis 2020 im Smart-City-Geschäft, so eine Studie von Frost & Sullivan.

Auf der einen Seite stehen also die Versprechungen, das Lebensumfeld von Bürgern und Unternehmern besser, nachhaltiger und schöner zu gestalten. Aber sie stellen nur die eine Seite der Medaille dar. Denn gleichzeitig wird von internationalen Urbanisten – etwa Adam Greenfield oder Anthony Townsend – kräftige Kritik laut. Denn wie kann eine Baukastenstadt, die vollständig auf Technologie aufbaut, effizient auf die Wünsche der Bürger eingehen? Was macht es mit einer Stadt, wenn sie derart von Tech-Unternehmen abhängig ist? Zudem sind viele Fragen des Datenschutzes und damit der Privatsphäre von Bürgern noch ungeklärt. Auch anderorts ereilt speziell der Ansatz, die Probleme im Mobilitätssektor allein über Unternehmen lösen zu wollen, Kritik:

Kein Unternehmen und kein Industriezweig ist alleine in der Lage, die Antwort auf die Mobilitätsanforderungen der Zukunft zu liefern.

Bill Ford, Urenkel von Henry Ford, auf „Spiegel Online“

Einer, der Städte eine große Gestaltungskraft für die Zukunft zuweist, ist der Trend- und Zukunftsforscher Eike Wenzel. Die technischen Möglichkeiten sollten bewusst genutzt werden, um Städte zukunftsfit zu machen. Besonders bei der Mobilität ergäben sich große Chancen, denn die Zeiten des klassischen Automobils seien vorbei. Vielmehr könne das „Internet der Mobilität“, die vernetzte Verkehrsinfrastruktur, Probleme mit Abgasen und Emissionen lösen, so der Publizist. Aber in welchen anderen Bereichen kann das noch funktionieren?  

So manch visionärer Denker blickt bereits mehr als hundert Jahre in die Zukunft. Das World Economic Forum stellt mit seinem Projekt „Ecotopia 2121“ 100 Städte vor, die allesamt zu „Green Utopias“ mutieren könnten. Ob es in Los Angeles 2121 aber wirklich keinerlei Autos und stattdessen nur mehr Straßenbahnen geben und Fußgänger und Radfahrer sich auf den umfunktionierten Autobahnen als „Greenways“ bewegen? Und, bereits viel dystopischer: Werden in Tokio aufgrund einer nuklearen Kernschmelze nur mehr wenige Familien in geschützten „moonbases” leben – und ein Hinaustreten nur mit Schutzanzügen möglich sein? Das muss sich erst zeigen. Ecotopia 2121-Koordinator Alan Marshall spricht jedenfalls von einem bewussten Gegenentwurf zu den heutigen technologischen Entwicklungen wie autonomes Fahren oder der Nutzung nuklearer Energien.

Niklas Hintermayer,
Redakteur

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